Handy-Netz-Ausfall zu Hause: 2800 Euro Schadensersatz
Ein Handy-Vertrag wird grundsätzlich nicht nur für einen bestimmten Standort, sondern für ganz Deutschland abgeschlossen. Ein außerordentliches Kündigungsrecht nur bei Ausfall an einem Standort gab es also in der Vergangenheit nicht. Auch die im TKG festgelegten Entschädigungszahlungen wurden bislang hauptsächlich bei Ausfällen von Festnetz-Internet-Anschlüssen angewandt.
Nun gibt es aber ein wegweisendes Gerichtsurteil des LG Göttingen vom 1. September, über den die Rechtsanwalts-Kanzleien Dr. Bahr sowie Vetter und Mertens berichten (Az. 4 O 78/23).
So hat das Gericht gerechnet
Urteil: Entschädigung bei Netzausfall am eigenen Wohnort
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Interessant in dem Fall ist, dass es um die Nutzung des Handy-Vertrags bei dem Kläger zu Hause ging. Der Kläger hatte als Kunde bei dem beklagten Provider Handy-Verträge mit Grundgebühren von 5,99 Euro beziehungsweise 6,99 Euro abgeschlossen.
Über Monate habe er laut den Kanzleien zu Hause die Dienste nicht nutzen können, da in der Nähe ein Sendemast ausgefallen war. Laut Aussage des Providers war der Sendemast überlastet. Außerhalb dieses Bereiches mit dem Netzausfall sei es dem Kunden möglich gewesen, die Dienste zu nutzen. Das LG Göttingen sprach dem Kläger in dem Urteil unter Bezugnahme auf § 58 Abs. 3 TKG wegen des Ausfalls einen Schadensersatz in Höhe von rund 2800 Euro zu.
Die Höhe der Entschädigung hat das Gericht exakt nach der TKG-Vorgabe berechnet: Für die ersten beiden Ausfalltage jeweils 5 Euro und ab dem dritten Ausfalltag jeweils 10 Euro. Vom 25. März bis 31. Dezember 2022 sind somit die rund 2800 Euro Entschädigungsanspruch angefallen.
Der juristische Bezug zur eigenen Wohnung
Laut dem Urteil liegt eine Störung im Sinne dieser Vorschrift im TKG vor. Daran ändere auch nichts, dass der Kunde außerhalb des Bereichs mit dem Netzausfall habe telefonieren können. "Der vollständige Dienstausfall wird hier auch nicht dadurch kompensiert, dass der Kläger und seine Familienangehörigen außerhalb der klägerischen Wohnung telefonieren konnten", heißt es in dem Urteil dazu.
Das Wesen der Mobiltelefonie sei die Möglichkeit, "zu jeder Zeit und an jedem Ort telefonieren zu können, ohne dafür den Ort wechseln zu müssen". Gerade wenn ein Mobiltelefon, was heutzutage keinesfalls mehr unüblich ist, als Ersatz für ein Festnetztelefon genutzt werde, sei die Nutzbarkeit innerhalb der eigenen Wohnung - beispielsweise auch im Fall eines Notfalls - "ein wesentlicher Umstand" und führe "gerade nicht dazu, dass der Dienst damit nicht vollständig ausgefallen wäre".
Es sei in diesem Zusammenhang nicht erforderlich, "dass der Dienst in einem bestimmten 'Mindestradius' vollständig ausgefallen ist", denn aufgrund des vom Provider geschilderten Umstands, dass Mobilfunkzellen sich überlappen und damit auch bei Ausfall einer Station Randbereiche des Versorgungsgebietes der Station noch versorgt werden könnten, verbliebe dann kein nennenswerter Anwendungsbereich der Norm mehr". Ein vollständiger Dienstausfall sei daher anzunehmen, "wenn dem Mobilfunknutzer der Dienst Telefonie innerhalb seiner Wohnung für einen nicht nur vorübergehenden Zeitraum insgesamt nicht mehr möglich ist."
Was ist, wenn WiFi-Calling noch funktioniert?
Offenbar hatte der Provider in dem Verfahren einen vermeintlich schlauen Einfall und argumentierte, WiFi-Calling hätte in der Wohnung des Kunden ja noch funktioniert. Dazu sagte das Gericht allerdings: Die Telefonie über das Internet stelle "einen eigenen Dienst dar, der aber keinen Entfall des Anspruches auf eine Entschädigung nach sich zieht".
Die Entschädigung nach TKG solle den Anbieter ja gerade dazu anhalten, "die dem Ausfall zu Grunde liegende Störung kurzfristig zu beseitigen". Ein Entfall dieser Entschädigung sei daher nur denkbar, "wenn der Nutzer vom Anbieter eine im Wesentlichen gleichwertige Ersatzmöglichkeit für die Nutzung des ausgefallenen Dienstes bereitstellt".
Offenbar verfügte das Gericht über den notwendigen technischen Sachverstand, als es im Urteil argumentierte, es sei "gerichtsbekannt", dass die Versorgung einer Wohnung oder eines Hauses mit WLAN "nicht immer gleichmäßig und in zufriedenstellendem Maße erfolgt und daher eine Telefonie über WLAN, die zudem von der verfügbaren Bandbreite abhängt, keine im Wesentlichen gleichwertige Alternative zur Mobilfunktelefonie darstellt".
Schließlich ging das Gericht noch auf einen entscheidenden Nachteil von WiFi-Calling ein: Notrufe seien beim Telefonieren über WLAN "nicht bei allen Internetanbietern gleichermaßen technisch überhaupt möglich, sodass auch insoweit eine wesentliche Einschränkung gegenüber der Mobilfunktelefonie verbleibt".
Handy-Masten werden gerne von mehreren Netzbetreibern geteilt - und dann teilweise auch noch für Radio oder gar Behördenfunk genutzt. Wenn dann der Blitz einschlägt und ein Feuer ausbricht, sind aber auch alle davon betroffen - wie vor einem Monat im Landkreis Ravensburg.