Unwetter: Darum darf Rundfunk nicht ins Internet abwandern
Es ist eine der schlimmsten Naturkatastrophen, die Deutschland bisher erlebt hat: Die schweren Unwetter in der vergangenen Woche und dem Wochenende mit der darauffolgenden Hochwasser-Katastrophe haben in mehreren Bundesländern an vielen Stellen auch einen Teil der Telekommunikations-Infrastruktur lahmgelegt. Strom, Internet und Mobilfunk funktionieren bis heute noch nicht überall wieder.
Rundfunksender trotzten Unwetter-Katastrophe
Der Fernmeldeturm Colonius in Köln blieb während des Unwetters am Netz
Foto: Media Broadcast
Angesichts der Bilder von extremer Verwüstung grenzt es fast an ein Wunder, dass die Rundfunk-Infrastruktur weiter intakt ist. Die im Katastrophengebiet zuständigen Großsendeanlagen Eifel (Scharteberg), Eifel-Bärbelkreuz, Ahrweiler, Linz/Rhein, Bonn-Venusberg, Köln-Colonius oder Aachen sendeten sogar ohne Unterbrechung durch. Lediglich bei den NRW-Lokalsendern Radio Euskirchen und Radio Wuppertal fiel Studio-seitig der Strom aus und es gab eine Sendepause.
Ansonsten blieben die Rundfunksender weiter am Netz. Neben dem klassischen UKW erwies sich auch das technisch komplexere Digitalradio DAB+, das mittelfristig den UKW-Hörfunk beerben soll, als krisenfest, die Multiplexe blieben in der Luft. Wichtig ist das vor allem in Rheinland-Pfalz: Hier sendet das Informationsprogramm SWR Aktuell nur digital-terrestrisch über Antenne.
Zumindest theoretisch könnte DAB+ sogar spezielle Alarme für Empfangsgeräte aussenden: EWF (Emergency Warning Functionality) ist eine neue Form der barrierefreien Katastrophen-Alarmierung innerhalb weniger Sekunden, die der digitale terrestrische Rundfunkstandard bietet und im Katastrophenfall auch im Standby befindliche Empfänger aktivieren kann. Bisher wird dieses Verfahren aber nur in Tests erprobt.
Sender verfügen über Notstrom-Versorgung
Anders als beim Mobilfunk verfügen große Rundfunksender häufig über eine Notstromversorgung, beispielsweise mit Diesel-Generatoren. Diese gewährleisten einen Weiterbetrieb selbst bei mehrtägigem Stromausfall. "Unsere Infrastruktur ist darauf ausgerichtet, zu jedem Zeitpunkt verlässlich zu funktionieren. Das ist eine der zentralen Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Krisenzeiten. Die Zuschauer und Hörer können auf unsere Rundfunktechnik vertrauen", sagte der ARD-Vorsitzende Tom Buhrow im vergangenen Jahr.
Die aktuelle Katastrophe dürfte einmal mehr ein Warnsignal sein. Oft genug forderten Protagonisten eine Abschaltung der kostenintensiven Rundfunksender, da Rundfunk inzwischen verstärkt übers Internet konsumiert wird. Beim Fernsehen gibt es inzwischen viele Landstriche ohne terrestrischen Empfang, da die Infrastruktur zurückgebaut wurde.
Vor allem junge Leute hören Radio heute sogar oft ausschließlich internetbasiert über Smartphone oder über Smart Speaker. Das ist alles kein Problem, solange Internet und Mobilfunk funktionieren. Doch in der Katastrophe im Westen Deutschlands zeigt sich, dass auch Apps wie Katwarn und Co. dann nicht mehr funktionieren, sobald die mobile Infrastruktur ausfällt. Neben Sirenen und Lautsprecher-Durchsagen sind Rundfunkgeräte elementare Mittel, um die Bevölkerung zu informieren und zu warnen.
Batterienbetriebenes Radiogerät gehört zur Grundausstattung
Das Sangean MMR-88 DAB
Foto: Sangean
Daher gehört ein Batterie betriebenes Radiogerät laut Bundesamt für Katastrophenschutz zur Grundausstattung jedes Haushalts
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. Ideal wäre ein Kurbelradio, denn das liefert auch noch Strom, nachdem die Batterien ausgegangen sind oder der Akku sich entleert hat.
Ein empfehlenswertes und auch in Zukunft krisensicheres Gerät ist beispielsweise das "Sangean MMR-88 Survivor" (Kosten: rund 90 Euro), das neben einem Akku auch noch eine Handkurbel mit eingebautem Dynamo besitzt und neben UKW- auch Digitalradioempfang über DAB+ ermöglicht. Zudem ist eine Lampe eingebaut. Günstigere Kurbelradios nur mit UKW-Empfang gibt es bereits ab 20 Euro im Handel.
Auch eine Powerstation mit einer Leistung von über 50000 mAh kann für einen begrenzten Zeitraum Strom für Radiogeräte, Lampen oder mobile Kochplatten liefern. Solche Stromaggregate gibt es ab rund 200 Euro im Handel. Kleinere Powerbanks dienen dagegen nur als kurzfristige Stromlieferenten und sind daher für den Krisenfall eher nicht empfehlenswert.
Fahrlässig: Kein terrestrischer Radioempfang mehr in Smartphones
Leider verzichten zahlreiche Smartphone-Hersteller inzwischen auf terrestrischen Radioempfang in ihren Geräten. Smartphones mit eingebautem Digitalradio-Empfang über DAB+ gibt es aktuell gar keine. Wer krisenfest sein will, sollte dennoch nach einem Gerät Ausschau halten, das UKW-Empfang eingebaut hat. Angesichts zunehmender Katastrophen wäre eine EU-weite Interoperabilitätsrichtlinie wie beim Digitalradioempfang wünschenswert. Hierbei könnten Handy-Hersteller verpflichtet werden, terrestrischen Radioempfang in ihren Gadgets anzubieten.
Alternative sind kleine Dongles, die terrestrischen Radioempfang gewährleisten und per App arbeiten. Mit einem USB-Empfänger und einer kostenlosen App können Interessierte für nur 10 Euro ihre Smartphones fit für UKW und/oder DAB+ machen.